Vor gut drei Monaten habe ich in der Arbeit um ein Gespräch gebeten und eine mir sehr wichtige Frage gestellt. Die saß schon fast ein Jahr in meinem Kopf und wartete auf ihre Antwort. Dass letztere Nein sein könnte, hatte ich befürchtet und daher lange gar nicht erst gefragt. You don't ask, you don't get, also habe ich mir einen Ruck gegeben … Und was ich bekam, war ein Ja. Ein Ja zur 4-Tage-Woche, die ich für die Sommermonate ausprobieren wollte. Diese drei Monate neigen sich nun dem Ende zu. Ein Erfahrungsbericht, ein Resümee und wie es weitergeht.

Schon im Studium hatte ich latente Sorge vor der späteren 40h-Woche. Und das obwohl ich als Studentin phasenweise eine geschätzte 60-80h-Woche hatte, die sich aber keineswegs so anfühlte. Das hatte natürlich mit meiner Begeisterung für mein Studium zu tun, aber auch mit der Selbstbestimmtheit, und -verantwortung die ich an der Uni so genoss. Ich habe zwar gefühlt 7 Tage die Woche für mein Studium gearbeitet, aber zu meinen Bedingungen und in meinem Rhythmus, wodurch es sich nicht im geringsten nach „Arbeit“ anfühlte, sondern einfach nach einem sehr anspruchsvollen und herausfordernden Hobby. Und wenn ich Zeit brauchte, für mich, für andere Dinge, dann lag es in meiner Verantwortung, sie mir zu nehmen.
Um zurück zum Thema zu kommen: In meinem Leben steckt so viel mehr als meine Arbeit – und wenn ich „Arbeit“ sage, meine ich die, mit Hilfe derer ich meine Miete bezahlen und Lebensmittel kaufen kann. So viel mehr gibt es da jedenfalls: Interessen, Projekte, Menschen, Dinge, die mir Freude machen, mich motivieren, die ich tun will und muss, damit es mir gut geht.
Für all das schien in meiner Vorstellung kaum Platz, wenn eine Woche zu fünf Siebteln aus Arbeit besteht. „Reiß dich zusammen, jeder arbeitet >40h/Woche.“ Ich habe mich nach dem Studium also relativ widerstandslos in das System eingefügt. Muss „man“ ja, macht „jeder“ so und schließlich gewöhnte ich mich daran, auch wenn irgendwas mich immer zwickte: Alles, was nicht „Arbeit“ ist, muss in ein Wochenende aus zwei Tagen passen. Bei mir mussten gefühlte 1000 Dinge Samstag und Sonntag abgehandelt und Kraft aus ihnen für die kommende Woche gezogen werden. Mich nach einer anstrengenden Woche überhaupt erst auf das Wochenende ein- und locker zu lassen, braucht alleine schon etwas Zeit. Dann, vielleicht gegen Samstagabend, wenn das was „muss“ erledigt ist, eröffnet sich plötzlich der Bewegungsfreiraum, den ein Wochenende bietet. Der „breathing space“, in dem Ideen kommen und wachsen und neue Dinge entstehen können. Ehe ich mich denen aber widmen konnte, saß ich plötzlich wieder am Schreibtisch im Büro, als hätte ich nur kurz geblinzelt und das Wochenende geträumt. Der Schlüssel zu dem Raum, in dem Dinge entstehen können, ist Zeit. Die fehlte mir in meiner 5-Tage-Woche und so trug ich ein Jahr diese kleine, aber sehr wichtige Frage mit mir herum. Bis ich sie im Juni dann stellte.

Meinen Wunsch musste ich erwartungsgemäß begründen, denn ich habe weder Kind, Hund, noch attestierte Leiden irgendeiner Art. Ich habe ein paar der 1000 Dinge genannt, die, wenn ich mich ihnen widmen kann, meine geistige Gesundheit sicherstellen. Mehr Zeit für persönliche Interessen, private Projekte, zum Ausruhen, Entspannen … was mir wiederum mehr Kraft bringt und Motivation. Dass zum einen eine Grundsatzdiskussion nötig ist, wenn man für sich eine Alternative zum 40h-Modell suchen möchte und zum anderen fast ausschließlich Vollzeitjobs angeboten werden, zeigt wie wenig etabliert Arbeit in Teilzeit ist und dass mit ihr meist auch Geringschätzung einhergeht. Als leiste man ohne guten Grund (Stichwort Kind) einen geringeren Beitrag als alle anderen. Oder als sei es ein Zeichen von Schwäche oder mangelnder Ambition, wenn der „day job“ nicht wichtigster Lebensbestandteil ist und man stattdessen ein „einfaches Hobby“ oder persönliche Projekte priorisiert. Vielleicht auch eine ganz persönliche Frage, wie und worüber man sich selbst definiert, welchen Stellenwert die Arbeit-Arbeit hat und woraus man für sich Energie und Lebensfreude schöpfen kann.
Ein anderer Grund für den Wunsch nach einer kürzeren Woche kann auch schlicht die Persönlichkeit eines Menschen sein. Wieder: Etabliert und gesellschaftlich akzeptiert ist anscheined der gesellige „was mit Menschen“-Typus, der gerne mit anderen interagiert, gemeinsame Kaffeepäuschen genießt und das Großraumbüro klasse findet, in dem es nie still ist. Der immerzu Stimulation und Reize braucht und seine Energie aus dem Zusammensein mit anderen Menschen zieht. Guess what? Es gibt „andere“ Menschen, denen das einfach zu viel ist. Die müssen und wollen auch ihren Platz und ein Arbeitsmodell finden, in dem sie sich wohlfühlen und folglich effizient arbeiten können. Eine kürzere Woche mit längeren Erholungsphasen kann diesbezüglich eine Option sein. Mehr Erholung zu brauchen, ist kein Zeichen von Schwäche – vielmehr weist es auf die erheblichen Mängel des als Norm geltenden Modells hin, das all diejenigen marginalisiert, die nicht hineinpassen.
Wie grundlegend fremd und unvorstellbar das Konzept eines regulären, zusätzlichen freien Tags in der Woche vielen Menschen zu sein scheint, fiel mir jedenfalls angesichts der sehr irritierten Fragen auf, die mir in den letzten Monaten regelmäßig gestellt wurden: Was ich denn mache mit der ganzen Zeit, wollten einige wissen und ob das nicht langweilig ist. Es ist ein Tag pro Woche. Kein Jahr in einer Waldhütte ohne Strom. Und zu der Frage mit der Langeweile kann ich nichts sagen, nur Adam aus GIRLS zitieren: „Boredom is bullshit. Boredom is for lazy people who have no imagination.“

Vielleicht ist die 4-Tage-Hemmschwelle in anderen Branchen oder Arbeitsumfeldern nicht so hoch. Oder die Verwunderung darüber, neben der Arbeit Interessen zu haben, die zeitintensive Hingabe erfordern. Ich bin froh, dass ich die Hemmschwelle überwunden, einfach gefragt, die Diskussion bestritten und schließlich mit einer 32h-Woche den Raum verlassen habe: Seit Juli ist der Freitag ein Frei-Tag.
Shall I compare thee to a summer's day? Die 4-Tage-Woche war genau, was ich brauchte. Das Wochenende blieb Wochenende und der Freitag war mein Tag. Er wurde ein save space, auf den ich mich freuen konnte, wenn die Arbeitswoche an mir zerrte. Wie ein kleiner Garten, in dem ich säen, sitzen, warten und ein bisschen hineinhorchen konnte in alles, was vom sonstigen nine to five übertönt wird. Es war so gut. Wie der erste Atemzug, den man am Meer nimmt. So gut, dass sich Anfang September erneut die latente Sorge vor dem 5-Tage-Laufrad einstellte, in das ich im Oktober zurückgehen sollte. Das Thema musste also wieder auf den Tisch. Die Hemmschwelle war etwas niedriger als noch im Juni, dennoch: Die verkürzte Woche scheint im Gegensatz zum etablierten System ein Zugeständnis zu bleiben. Vorerst, hoffe ich. Denn mit der Vielfalt an neuen Jobs, die in den letzten 5-15 Jahren alleine durch das Internet entstanden sind und weiterhin entstehen, wird es auch eine offenere Haltung gegenüber neuen Arbeitsmodellen geben müssen, die damit aufkommen und gelebt werden wollen. Die 4-Tage-Woche, genauso wie remote-work oder Job-Sharing sind nur wenige Beispiele, die bereits vergleichsweise weit verbreitet, aber trotzdem noch nicht überall angekommen sind.
So habe ich die Frage also noch einmal gestellt und wieder eine Antwort bekommen: Die Freitage bleiben Freiräume und ich bin vorfreudig gespannt auf alles, was in ihnen entstehen wird.

3 comments
Sehr spannend, danke für diesen Einblick! In meiner Branche (Wissenschaftssystem) ist die 7-Tage-Woche - wenn auch nicht zwangsläufig in einem 'offiziellen' Büro - Realität. Ich genieße zwar die Selbstbestimmung darüber, was ich wann wie und wo mache, aber es bleibt eben der Anspruch des Systems dies im Rahmen von sieben Tagen zu tun. Noch trauriger daran ist, dass man dann dennoch oftmals nur für drei Tage bezahlt wird.
ReplyDeleteDie eigentliche - überhögt formuliert - Tragik liegt für mich jedoch darin, dass ich meinen Beruf (ja Beruf! Es ist nicht nur ein Job für mich, es ist in der Tat eine Lebenseinstellung) so liebe. Damit hat er eine große Priorität. Nicht die einzige, da gibt es noch genug anderes, was auch so schon gefühlt nicht in ein Leben passt, aber wenn mein Beruf eine Priorität bleiben soll, dann verteidigt er diese Stellung sehr stark.
Damit fühle ich mich dann immer ein bisschen außen vor, weil ich das Gefühl habe es gibt einerseits jene, die 100% Beruf haben wollen und das auch nicht anzeifeln und andererseits solche, denen anderes wichtiger ist und die somit den Beruf zurückfahren. Was ist, wenn man beides will? Will man dann tatsächlich zu viel?
Vielen Dank für Deinen Kommentar! Diese Variante gibt all dem noch eine verzwicktere Ebene, wenn ich das richtig verstehe. Seinen Beruf sehr, sehr gerne machen – trotzdem aber auch dem „übrigen“ Leben Raum geben wollen. Dass man zu allem Überfluss in der Wissenschaft noch schlecht(er) bezahlt wird, macht es zusätzlich schwer, ein für sich passendes Modell zu finden. Alles Gute weiterhin und vielen Dank nochmal fürs Lesen und Schreiben!
DeleteIn welcher Branche arbeitest du? Interessanter Einblick! Hört sich sehr spannend an!
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