Wie das so ist, wenn man in einer Stadt mit grandiosem Kulturprogramm lebt, war ich in den letzten drei Jahren seltener in einem Museum als bei meinen ersten Berlin-Besuchen circa 2009-2011. Die Idee, mindestens einmal im Monat in eine Galerie oder ein Museum zu gehen, machmal einfach nur, um da zu sitzen – zum Lesen, Schreiben und Erholen – gefiel mir in der Theorie immer schon sehr. Meist fehlte dann aber die Zeit. Außerdem war mir der Ansatz mit dem „ins Museum gehen wie in den Park“ angesichts der Eintrittspreise dann doch zu unambitioniert. Reine Einstellungssache, schon klar, aber irgendwie wollte ich aus den Galerie- und Museumsbesuchen etwas selbstverständlicheres machen und sie von dem Sockel der Spezial-Happenings-bei-schlechtem-Wetter nehmen. Die Lösung: Eine Jahreskarte. Die habe ich mir zu Ostern gewünscht, letzte Woche aktiviert und mein Museumsjahr mit einem Besuch in einer meiner liebsten Berliner Galerien eröffnet: der Alten Nationalgalerie.



Warum ist mir die Alte Nationalgalerie (zusammen mit der Gemäldegalerie) die liebste? Weil ich auf die Malerei aus dem 18./19. Jahrhundert und die Künstler der Romantik stehe, allen voran natürlich Casper David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel. Als ich Anfang Mai meine Jahreskarte abholte und mit Programmen zu laufenden und kommenden Ausstellungen versorgt wurde, erfuhr ich von der „Wanderlust“-Sonderausstellung – Jackpot, genau mein Ding.


Letztes Jahr im Mai bin ich extra nach Hamburg gefahren, um (u.a.) endlich einmal den „Wanderer über dem Nebelmeer“ zu sehen – der ist nämlich eigentlich dort in der Kunsthalle zuhause, war der Wanderlust wegen aber natürlich nach Berlin gekommen.
Das Herzstück – den Ausgangspunkt vielmehr, bildet die in der Romantik behandelte Wanderthematik. Die gezeigten Werke reichen jedoch bis ins 20. Jahrhundert und nehmen zum einen auf, welche Bedeutung Wanderungen für persönliche Lebens- und Entwicklungsreisen haben und wie die intensiven Naturbegegnungen zum anderen eine Form von Entschleunigung und Selbsterkenntnis sind.


Wie sich der Bogen zur Moderne spannt, wird nun schon deutlicher. Denn der Wunsch nach Entschleunigung, von dem die Werke der Romantiker erzählen – als Reaktion auf Entwicklungen wie die industrielle Revolution –, ist uns doch auch heute nicht unbekannt. Mindfulness-Spaziergang und einen Nachmittag Social Media Detox, um mit Wanderstock und Hut auf den Berg zu gehen. I feel you, möchte ich der Bergsteigerin von Jens Ferdinand Willumsen sagen.

Bis in die Popkultur der Gegenwart zieht sich die Wanderlust als roter Faden und so findet sich neben den Gemälden auch ein Björk-Song mit Musikvideo in der Sammlung.
Auch wenn Fußreisen wie Spaziergänge oder ausgedehnte Wanderungen ein Ziel an ihrem Ende suggerieren, so lassen Björks Lyrics die Wanderlust hingegen wie die Sehnsucht nach einer Endlosbewegung erscheinen – in Richtung Horizont, der sich immer mitbewegt.

Begeistert war ich nicht nur von der abwechslungsreichen Vielseitigkeit der Wanderlust-Ausstellung, sondern auch von dem großen Besucherandrang, der mir für einen gewöhnlichen Dienstag geradezu überwältigend vorkam. Meiner persönlichen Entschleunigungsabsicht haben die Massen zwar nicht unbedingt geholfen … das konnte ich aber nach meiner „Wanderlust“-Reise durch einen Rückzug auf die anderen Stockwerke und zu den Dauerausstellungen lösen.
Zu denen aber ein anderes Mal, denn Jahreskarte sei Dank werde ich sicher bald wieder einen Tag in der Alten Nationalgalerie verbringen.

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