Dass ich mir mit meiner neuen Jahreskarte für die Berliner Museen alle vierzehn Tage ein anderes Museum vornehmen würde, hatte ich so tatsächlich nicht geplant. Bisher bin ich aber gut auf Kurs und habe eine Woche nach meinem Besuch in der Alten Nationalgalerie einen Ausflug ins Bode-Museum gemacht. An dem bin ich durch Arbeits- und Mittagspausenspazierwege in den letzten drei Jahren zwar ungefähr 200x/Jahr vorbeigelaufen, drin war ich aber noch nie. Nach einem obligatorischen Besuch im Lieblingsmuseum, der Alten Nationalgalerie, um die Jahreskarte einzuweihen, war es also an der Zeit, den eindrucksvolle Kuppelbau auch mal von Innen zu sehen.


Was ich ad nauseam wiederholen könnte (und auch jetzt wieder erzähle) ist, wie sehr ich die Atmosphäre in alten Gebäuden, die Museen sind, liebe. Die angenehme Kühle innerhalb der dicken Steinmauern, die einem von den Marmorböden aus an den Beinen nach oben schleicht – oder der Geruch von geöltem Parkett und mit Stoff verkleideten Wänden, an denen Gemälde hängen. An einem heißen Sommertag wie heute übt ein Bau wie das Bode-Museum mehr Anziehung auf mich aus als ein Freibad.



Das Bode-Museum gibt es seit 1904. Damals wurde es als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet – den Namen des Kunsthistorikers Wilhelm von Bode, dessen Skulpturen- und Gemäldesammlung im Museum Platz fand, bekam es erst 1956.
Anders als ursprünglich vorgesehen beherbergt das Gebäude […] nun vor allem die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst. Etwa hundertfünfzig Werke aus dem Bestand der Gemäldegalerie, die sich seit 1998 am Kulturforum am Potsdamer Platz befindet, bereichern die Präsentation der Skulpturen. Das Münzkabinett zeigt im Bode-Museum seine metallene Chronik der Menschheitsgeschichte.
Staatliche Museen zu Berlin: Das Bode-Museum
Worauf ich mich bei meinem Besuch konzentriert habe, waren die auf dem Lageplan farblich markierten Bereiche der aktuellen Sonderausstellung „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“.
Ich gebe ungeniert zu, dass ich „Skulpturen und so“ eher halbspannend finde und mir eigentlich lieber Gemälde ansehe. Was ich aber in der Afrika-Sonderausstellung im Bode-Museum entdecken und lernen durfte, hat mich ehrlich fasziniert. In meiner Kindheit bin ich mit meinen Eltern oft im südlichen Afrika unterwegs gewesen – einen Zugang zu dem Kontinent finde ich also im übertragenen und buchstäblichen Sinne und finde die Weltanschauungen, die teils auch in der Austellung herausgearbeitet wurden, lebenszugewandter und für mich persönlich ansprechender als die unseren, westlich europäischen. Dazu aber später mehr.

In der Ausstellung werden Werke aus zwei Kontinenten – Afrika und Europa – stets paarweise gegenübergestellt. Diese Gegenüberstellungen finden sich auf den beiden Hauptetagen inmitten der übrigen Dauerausstellung, sodass selbst die Platzierung der Exponate – nicht isoliert von allen übrigen, aber unter (scheinbar?) thematisch völlig anderen Werken – noch stärker zum Vergleich drängt. Dieser findet auf verschiedenen Ebenen statt und so fallen Gemeinsamkeiten und wie Kontraste auf. Gleichzeitig wirkt zum Beispiel die Platzierung der Mangaaka-Kraftfigur (s.u.), in der unzählige Eisennägel stecken, neben in sieben Quadratmeter Holz geschnitzten und mit Blattgold bedeckten Altarfiguren wie ein sehr starker Bruch. Ganz zu schweigen vom ihr zugeordneten Vergleichsexponat, der Schutzmantelmadonna, die da unter ihrem sachte ausgebreiteten Mantel locker eine größere Gruppe Schutzsuchender versammelt. Dieser Bruch lässt uns wissen: Ein Vergleich ist nicht möglich. Denn wenn wir über Vergleiche sprechen – im Besonderen die von Kulturen – gilt es zu bedenken, dass diese nie wertfrei stattfinden und keineswegs objektiv sein können. Darauf weist auch das Informationsmaterial der Ausstellung hin:
Der Prozess des Vergleichens und des Zuordnens ist also kein neutraler, sondern ist geladen mit gesellschaftlich geprägten Vorurteile, Konventionen und Geschichtskonstruktionen. Er ist auch stark abhängig von den Erfahrungen der Menschen, die den Vergleich anstellen. Die Aussage, ob Sachen ähnlich oder andersartig sind, hat oft auch mit Macht zu tun.
Staatliche Museen zu Berlin: Unvergleichlich – Kunst aus Afrika im Bode-Museum




Die gegenübergestellten Einzelwerke auf den beiden Hauptetagen werden durch die „Unvergleichlich“-Sonderausstellung im Untergeschoss erweitert. Hier werden breitere Themen wie Gender/Geschlecht, Anderssein, Performance und Tod und Abschied zwischen Afrika und Europa kontrastiert.



Hier komme ich nun noch einmal zu Einzelaspekten und Anschauungen afrikanischer Kulturkreise, die sich für mich, wie eingangs erwähnt, lebenszugewandter und instinktiv vertrauter und „richtiger“ anfühlen als die ein oder andere westlich/europäische Auffassung. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir beispielsweise beim Thema Geschlecht und Multiplizität der Person, dass im Königreich Bamum, einem kleinen Staat im heutigen Kamerun, soziale Positionen getrennt vom biologischen Geschlecht und zudem vererbbar waren. Ein Mann konnte also die soziale Position einer Frau erben und umgekehrt. Innerhalb dieser vererbten Position wurde ein Mann dann auch als Frau angesprochen oder eine Frau als Mann. Für unsere Gesellschaft „neue Rollenverteilungen“ (stellt euch noch mehr Anführungszeichen da außenrum vor) wie die der „working-mum“ oder des „stay-at-home-dads“ waren bei den Bamum im 14./15. Jahrhundert also schon ein alter Hut und das Thema gender-fluidity sagt auch Guten Tag.


Last but not least: Abschied. In der afrikanischen Kunst findet keine Darstellung von Tod und Abschied statt, die vergleichbar wäre mit z.B. einer trauernden Maria, die wehklagend den toten Jesus in ihren Armen hält—. Im westlichen Glauben bedeutet der Tod einer Person, die Trennung von dem Menschen, im afrikanischen Kulturbereich wird hingegen eine aktive Beziehung mit den Ahnen gepflegt. Sie werden unmittelbar nahe zum Wohnort begraben und man glaubt an ihren positiven Einfluss auf Gegenwart und Zukunft. Und klar, das ist jetzt eine Wertung und völlig subjektiv, aber diese Sichtweise will ich mir gerne ausleihen. ☁️


Obwohl mich zugegebenermaßen das Gebäude selbst mehr zum/ins Bode-Museum gezogen hat als alles, was ich darin erwartet hatte, bin ich nach den Stunden in den Ausstellungen ehrlich begeistert wieder nach Hause gegangen. Das Vergleichsexperiment der Sonderausstellung fand ich gewagt und kreativ. Ohne im Ansatz zu wissen, wie viel Vorbereitungsarbeit und wertvolle Zeit vieler Menschen, die sich auf ihrem Gebiet sehr gut auskennen, in ein solches Projekt fließt, stelle ich mir vor; am Anfang stand eine Idee und jemand, der/die gesagt hat „Das machen wir jetzt einfach.“
Ich hab was gelernt und das freut mich und jetzt will ich mehr.
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